Leise springt in der Anlegerverwaltung der Deutschen Finance Group der Drucker an. Vorstand Thomas Oliver Müller, der zufällig am Schreibtisch im zweiten Stock des schicken Neubaubüros in München-Schwabing vorbeiläuft, reagiert sofort. „Wie viel ist es?“, fragt er die Mitarbeiterin, zu deren Schreibtisch der Drucker gehört. Sie zieht das Blatt aus der Maschine und wirft einen routinierten Blick da rauf. „50 000“, sagt sie – die Summe, die ein Privatanleger gerade bei einem der Immobilienfonds der Vermögensverwaltung gezeichnet hat.
Für viele von Müllers Konkurrenten wären 50 000 Euro kein Grund zur Freude. Es sind: Peanuts. Wer wie die Deutsche Finance weltweit in große Immobilienprojekte investiert, will an die richtig Reichen und die institutionellen Anleger ran – an Millionen und Milliarden. Solche Kunden hat die Deutsche Finance Group auch, institutionelle Anleger wie die Bayerische Versorgungskammer oder das Family-Office der US-Unternehmerfamilie Bloomberg. Aber eben nicht nur, und das ist das Besondere an Müllers Unternehmen: Es setzt auch auf die Kleinen – und gibt Privatanlegern Zugang zu Investments, die sonst Profis vorbehalten sind.
Insgesamt 4 300 Bauwerke wie Parkhäuser, Studentenwohnheime, Häfen, Krankenhäuser, Büros, Hotels oder Wohnungen liegen im Portfolio des Unternehmens – darunter glamouröse Gebäude wie das Coca-Cola-Building an New Yorks Fifth Avenue, die Transamerica Pyramid in San Francisco und das Bürohochhaus The Big Red in Chicago. Mehr als 42 000 Privatkunden sind derzeit an den 21 Immobilienfonds des Hauses beteiligt. „Wir wollen allen das Gleiche bieten, egal wie viel Geld sie mitbringen“, sagt Müller.
„KEINE ZWEITE CHANCE“
Generell ist der internationale Markt für Immobiliengeschäfte wie diese ein „Closed Job“: Hier kommt eigentlich nur zum Zug, wer im überschaubaren Kreis der Akteure absolutes Vertrauen genießt. „Bei einer Kapitalzusage gegenüber einem Fonds oder einem Verkäufer muss man auch liefern, sonst hat man keine zweite Chance mehr“, sagt Müller. Und genau da rum verlässt der Deutsche-Finance-Chef sich bei der Finanzierung lieber auf viele Investoren als auf wenige große – unter anderem eben auf Privatanleger.
In 47 Ländern ist das Unternehmen aus Bayern heute tätig. Neben Deutschland vor allem in den Vereinigten Staaten, nach der Allianz ist die Deutsche Finance der zweitgrößte deutsche Immobilieninvestor im Land. Dort schaut sich vor allem Sven Neubauer nach Gebäuden mit Potenzial um, den Müller 2010 als weiteren Mehrheitsgesellschafter an Bord holte. Die beiden hatten sich im Rahmen eines Mandats kennengelernt und gemerkt, dass sie sich ergänzen: Müller ist der Korrekte, Neubauer der Kreative – und gemeinsam kaufen sie heute Immobilien, sanieren sie und verkaufen sie nach einigen Jahren weiter.
Prominentestes Beispiel: die Transamerica Pyramid, das ikonische Hochhaus, das lange das höchste Gebäude San Franciscos war. 2020 erwarb die Deutsche Finance es gemeinsam mit dem US-Luxusimmobilienentwickler SHVO. Der 650-Mio.-Dollar-Deal war der größte der Unternehmensgeschichte, und bei 40 Mitbewerbern kam der Zuschlag überraschend. „Wir haben nicht den höchsten Preis geboten“, sagt Neubauer. Entscheidend sei wohl gewesen, dass die Bayerische Versorgungskammer mit an Bord war. Die Verkäufer hätten ihnen auch wegen des soliden Finanzierers im Rücken zugesagt.
Das Projekt war dennoch alles andere als unkompliziert: Es war das erste Jahr der Coronapandemie, und weil sich alle ins Homeoffice zurückzogen, sagten Experten dem Büroimmobilienmarkt eine längere Durststrecke voraus. Als Folge fehlten der Investmentboutique kurz vor dem Closing noch 6 Mio. Euro. „Ich schlief nächtelang nicht“, sagt Neubauer. Bevor sie aber den wichtigsten Deal ihrer Karriere absagen mussten, habe er mit Müller einen Whisky getrunken und beschlossen: „Das können wir nicht machen.“ Sie riefen alle Investoren an, die sie kannten, und überzeugten sie so lange, bis sie das Geld dann doch zusammenhatten.
HOTEL FÜR SUPERREICHE
45 Mio. Dollar hat die Deutsche Finance Group seither in die Digitalisierung und Energiesanierung des Gebäudes gesteckt. Und man hat bereits neue Mieter gefunden, die deutlich mehr pro Quadratmeter zahlen als ihre Vorgänger. „Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter häufiger im Büro sehen wollen, müssen sie ihnen jetzt mehr Komfort bieten“, sagt Neubauer. Auf vier Stockwerken des 260 Meter hohen Wahrzeichens hat sich obendrein etwa auch der Core Club einquartiert, eine Fünf-Sterne-Hotelkette für Superreiche.
Dass Müller heute weltweit Geschäfte in dieser Größenordnung abwickelt, ist ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Der 55-Jährige wuchs mit fünf Geschwistern in Bayreuth auf, der Vater Kaufmann, die Mutter Hausfrau. „Ich habe nichts geschenkt bekommen und auch nichts geerbt“, sagt Müller. Er lernte Kaufmann für Großhandel und arbeitete sich im Immobilienvertrieb hoch. Mit seiner ersten Firma, die er 1992 gründete, verkaufte er geschätzt 1 000 Wohnungen, 2005 dann startete er die Deutsche Finance Group. Die Vermögensverwaltung legte zunächst Dachfonds auf, die sich auch Privatanleger leisten konnten. Erst 2017 erfolgte der Strategieschwenk auf den Immobilienmarkt.
Was dessen unmittelbare Zukunft angeht, so geben sich Müller und Neubauer heute gelassen – anders als andere Immobilienexperten. Der britische Immobilienverband Royal Institution of Chartered Surveyors etwa berichtet gerade in seinem globalen Gewerbeimmobilien-Monitor von einer eingetrübten Stimmung an den Märkten jenseits des Nahen Ostens und Afrikas. Steigende Zinsen, hohe Inflationserwartungen und Rezessionsangst lassen Investoren davon ausgehen, dass die Preise für gewerbliche Bauten künftig sinken. Aber, meint Neubauer: In einem schwierigen Umfeld könne man ebenfalls gute Geschäfte machen. Dann nämlich kämen wieder interessante Immobilien auf den Markt – womöglich zu günstigen Preisen.
LABOR IN BOSTON
Spuren hinterlässt die Marktstimmung dennoch: Ihren DF Investment Fund 21 hat die Deutsche Finance erst Anfang August aufgelegt, über den Fonds können sich Privatanleger an einem Projekt in Boston beteiligen, das nahe den beiden Universitäten MIT und Harvard Biotech-unternehmen eine Mischung aus Büro- und Laborflächen anbietet. Die Fondsratingagentur Scope hat dem Fonds die eher mäßige Bewertung „BBB–“ erteilt. Das sei aber vor allem dem gestiegenen Zinsniveau in den USA geschuldet, heißt es bei der Agentur.
Der erste Fonds für nahezu identische Immobilien in Boston steht beispielsweise mit einem Rating von „A–“ deutlich besser da. In der Gesamtbewertung („AA–“) bestätigt Scope der Deutschen Finance Group einen „exzellenten Zugang zu aussichtsreichen Entwicklungsprojekten und Super-Prime-Immobilien“. Die Agentur weist jedoch auch auf Risiken durch ausstehende Genehmigungen hin, die mit solch einem Projekt einhergehen können, genau wie auf möglichen Minderungen des anvisierten Kaufpreises durch Marktschwankungen.
„MEHR WÄRE NICHT RICHTIG“
Müller will künftig noch viel mehr Privatanleger an Bord holen, deshalb wurde Ende Juni die Onlineplattform Mitinvestieren gelauncht. Schon ab einer Mindestanlagesumme von 500 Euro können Anleger hier in ein durch die Bafin lizenziertes digitales Wertpapier investieren. Das Ganze funktioniert wie eine Inhaberschuldverschreibung, die dem Anleger eine Forderung gegenüber der Deutschen Finance Group in einer handelbaren Form verbrieft – und es ist mit fünf Prozent Rendite pro Jahr fest verzinst.
Darüber hinaus gibt es die Chance auf einen kleinen jährlichen Bonus von 0,25 Prozent. „Mehr zu versprechen wäre auch aktuell nicht richtig“, sagt Müller. Schließlich sei die Risikobereitschaft bei Privatanlegern und bei institutionellen Investoren generell eine völlig andere. Die Mittel aus diesem Papier aber fließen genauso wie jene aus den Publikumsfonds auch mit in die großen Club-Deals ein.
Was Müller und Neubauer ebenfalls im Blick haben: den Private-Equity-Markt. Sie wollen junge Unternehmen aus dem sogenannten Property-Tech-Sektor unterstützen, die intelligente Lösungen zur Gebäudeverwaltung entwickeln. Energieeffizienz und ESG-Kriterien sind längst im CO₂-intensiven Baubusiness angekommen. „Wir brauchen deshalb auch innovative Prop-Tech-Lösungen für die Zukunft“, sagt Müller. Weil die Unternehmen hier schwer Anteilseigner finden, will die Deutsche Finance Group einspringen. Und vielleicht werden sie auch diesen Bereich für Privatanleger öffnen.
Hochhausrendite
Chancen und Risiken der Immobilienfonds
Privatanleger können sich an den Immobiliengeschäften der Deutschen Finance über geschlossene Fonds beteiligen – also solche mit einer festen Laufzeit. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Investments in ein breites Immobilienportfolio, wie es auch andere Anbieter im Programm haben, etwa über den DF Investment Fund 18 (Mindestanlage 5 000 Euro). Oder Investments in konkrete Projekte, etwa mit dem DF Investment Fund 21 (Mindestanlage 25 000 Dollar). Bislang hat das Unternehmen 15 dieser sogenannten Club-Deals durchgezogen – und ist damit das einzige, das heute diese Form des Investments für Privatanleger anbietet.
Günstig ist der Einstieg in die von der Finanzaufsicht Bafin regulierten Fonds nicht, die jährliche Gesamtkostenquote liegt je nach Produkt zwischen zwei und vier Prozent. Die Renditeerwartungen sind aber mit bis zu 140 Prozent über die Laufzeit der jüngsten Club-Deals attraktiv.
Natürlich besteht bei Immobilieninvestments das Risiko, dass diese sich am Schluss durch eine verschlechterte Marktlage nicht zum prognostizierten Wert verkaufen lassen. In der Finanzkrise 2009 etwa mussten 9 000 deutsche Anleger diese Erfahrung machen, die im Londoner Wahrzeichen „The Gherkin“ investiert waren. Weil die dahinterstehende Fondsgesellschaft den Kauf 2007 mit Fremdkapital finanziert hatte, war die Investition für die Anleger ein Totalausfall. Die Deutsche Finance finanziert jedoch ausschließlich mit Eigenkapital und macht Anleger so quasi zu Miteigentümern der Gebäude. So kann lediglich die Rendite sinken.